Juni' 25

Warum so viel Zurückhaltung bei jenem Axiom, das besagt, dass es zu jeder Linie und zu jedem außerhalb dieser Linie liegenden Punkt genau eine weitere Linie gibt, die durch den Punkt verläuft und die erste nie schneidet? Lange wurde vermutet, Euklid habe ursprünglich nur vier Postulate beabsichtigt. Das „fünfte Rad“ sei lediglich hinzugefügt worden, weil es sich nicht aus den vorangehenden vier ableiten ließ.

Zweitausend Jahre lang suchten Mathematiker nach einem Beweis für das fünfte Axiom – so beharrlich wie Artus' Ritter nach dem Heiligen Gral. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen sie jedoch zu einem gegenteiligen Schluss: Das fünfte Postulat ist nicht universell gültig. Eine Linie und ein Punkt ergeben nur dann eine eindeutige Parallele, wenn die zugrunde liegende Ebene vollkommen eben ist. Das klingt vielleicht nicht außergewöhnlich, doch tatsächlich ist unsere Welt voller gekrümmter Flächen. Seeleute navigieren über die Kugelgestalt der Erde, Einstein lehrte uns die Krümmung der Raumzeit – und auch die Oberfläche des Juni-Sockenmodells umhüllt gewiss wohlgeformt Ihre unteren Extremitäten.

Hat Euklid also im alten Alexandria sowohl die Relativitätstheorie als auch die Form Ihrer Socke vorausgesehen? Wer weiß. Viel ist über sein Leben nicht bekannt. Gewiss ist nur: Ein gutes Paar Bambussocken hätte er an einem heißen Tag wohl nicht abgelehnt.